Die Sache mit der Ruh

Wenn man in diesen Tagen durch die Natur schweift, fällt einem wohl noch das eine oder andere Blatt auf den Kopf und unter den Füssen raschelt das bereits gefallene Laub. Die Bäume haben ihre Säfte aus den Ästen gezogen und bereiten sich so auf die kühle Jahreszeit vor. Für sie ist es eine Prüfung, eine harte Zeit, und nur ohne Laub können sie das Gewicht des Schnees ertragen und der Kälte trotzen.
Früher war der Winter auch für den Menschen eine Prüfung – und in einigen Regionen unserer Erde ist das auch heute noch so. Die Kälte machte es dem Organismus schwer zu funktionieren und nur wer im vergangenem Jahr hart gearbeitet hatte, konnte sich und seine Familie ernähren. Und dennoch war der Winter die Zeit des Ruhens. Nicht nur für die Natur, sondern auch für den Menschen. So musste nicht von früh bis spät auf dem Feld gearbeitet werden, nein, man konnte vom Lohn seiner Arbeit leben und das Sein in der Familie und für sich selbst geniessen.
Dieser Rhythmus ist uns leider etwas verloren gegangen. Musse ist ein Wort, welches nur den wenigsten noch geläufig ist. Denn auch im Winter pulsiert unser Leben und man will auf keinen Fall etwas verpassen.
Während meiner Schulzeit war ich immer sehr begeistert von den ganzen naturwissenschaftlichen Fächern und so wollte ich für einige Zeit unbedingt Bioniker werden. Da beobachtet und analysiert man Vorgänge oder Strukturen in der Natur und versucht sie für den Menschen zugänglich zu machen. Zur Zeit beschäftigen sich diese Wissenschaftler zum Beispiel mit dem Flug der Libelle oder der architektonischen Struktur von Grashalmen. Sehr spannende und gleichzeitig auch komplexe Zusammenhänge und Modelle, welche dem Menschen einen grossen Nutzen bringen werden, sobald man sie verfügbar gemacht haben wird. Und vielleicht betätige ich mich jetzt auch gerade als Bioniker, wenn ich mir wünschte, dass mehr Menschen diesen natürlichen Rhythmus wieder übernehmen würden. Gerade die Zeit des Advents lädt doch dazu ein, inne zu halten und still zu werden.
Wir haben uns letzthin im Schärme mal die Zeit genommen, nur eine einzige Minute einmal einfach still zu sein. Zuvor verbrachten wir auch eine Minute ohne Reden, hörten dazu aber Musik. Die Rückmeldung war einstimmig – ruhig sein ohne Musik ist eine komische Sache, man fühlt sich fehl am Platz und weiss nicht so recht, was man anfangen soll.
So haben gerade wir Jungen es nicht so dicke mit der Stille. Wir mögen es vibrierend und lebhaft, doch mit stillem Reflektieren können wir nicht sehr viel anfangen. Und vielleicht ist das auch ganz in Ordnung so. Es darf leben – schliesslich kam Jesus auf die Welt, um uns genau das zu geben – Leben, und das im Überfluss (Joh 10, 10). Aber um wirklich leben zu können, brauchen wir Momente der Ruhe.
Ein Mensch, der dauern nur Vollgas gibt, wird daran zu Grunde gehen. Erst das Bewusst machen von seinem eigenen Leben ermöglicht es, sein Leben voll auszureizen. Und die wenige Zeit, die wir auf Erden haben, möchten wir doch alle bis ins äusserste auskosten. Luther meinte einmal, dass wenn er besonders viel zu tun hatte, er sich doppelt soviel Zeit für die Stille nahm. Zeit ist auch heute noch das einzige Gut, dem wir auf keine Weise etwas hinzufügen können. Einstein meinte zwar, auch sie sei relativ, doch auch er starb und konnte seinem Leben keinen Augenblick anhängen. Und darum, ob alt oder jung, besinne dich. Nimmt dir Momente aus deinem hektischen Leben und verwandle sie in Inseln der Ruhe. Du wirst überrascht sein, was dabei alles entstehen kann! Schöne Weihnachten und Gottes Segen.

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